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  Märkische Allgemeine
27.05.2008

AUSSTELLUNG: Personenvereinzelungsanlage
Andreas Magdanz dokumentiert als erster Fotograf den BND-Standort Pullach

Von Jörg Giese

POTSDAM - An einer Mauer in der bayrischen Gemeinde Pullach hängt ein Schild, das Passanten das Fotografieren ebendieser Mauer untersagt. Urheber des absurden Verbots ist der Bundesnachrichtendienst (BND), dessen Hauptquartier hinter der Absperrung liegt. Jahrelang firmierte der BND hier offiziell als „Bundesvermögenswaltung, Abteilung Sondervermögen, Aussenstelle Pullach“. Erst August Hanning, der 1998 Präsident der Behörde wurde, liess die Bezeichnung „Bundesnachrichtendienst“ anbringen.

Der BND hat offiziell die Aufgabe, sicherheitspolitische Informationen im und über das Ausland zu sammeln. Dabei soll er selbst möglichst unsichtbar bleiben. Umso erstaunlicher ist es, dass der Fotograf Andreas Magdanz das streng abgeschirmte Areal dokumentieren durfte. Das Ergebnis veröffentlichte er 2006 in dem Bildband „BND-Standort Pullach“. Einige der Fotografien daraus zeigt jetzt das Potsdamer Einstein Forum in einer Ausstellung.

Während der Eröffnung erzählte Magdanz, dass er einfach einen Brief an die Leitung schrieb, nachdem er in der Zeitung vom geplanten Umzug nach Berlin gelesen hatte. Kurz darauf lud ihn der BND zu einem Gespräch nach Pullach ein. Für den Aachener Künstler sprach, dass er 2000 für seine Dokumentation des ehemals geheimen Regierungsbunkers in Marienthal eine sehr zurückhaltende Bildsprache gewählt hatte. Der BND konnte sich sicher sein, dass Magdanz kein visuelles Pamphlet gegen den Nachrichtendienst produzieren würde. Bevor der Fotograf Zutritt erhielt, durchliefen er und seine Angehörigen eine mehrmonatige Sicherheitsüberprüfung. Sechs Monate verbrachte Magdanz in Pullach, nahm sogar zweimal an den Lagebesprechungen teil und durfte alle Gebäudeteile betreten, wenn auch nur in Begleitung.

Magdanz’ Schwarz-Weiss-Bilder vermitteln den Eindruck einer bereits aufgegebenen Behörde. Die weissen Gänge, das Lagezentrum mit seinen Bildschirmen und

die Personenvereinzelungsanlage, wie das Drehtürsystem vor dem Rechenzentrum heisst, sind menschenleer. Als ob die Mitarbeiter auch innerhalb der Behörde ihre Spuren verwischten, weisen keine persönlichen Gegenstände darauf hin, dass hier 3500 Menschen tätig sind. Alle James-Bond- und Schlapphut-Klischees werden konsequent unterlaufen.

Im Gespräch mit dem Publikum kam die Frage auf, ob Magdanz nicht das Trugbild einer gläsernen, harmlosen Institution vermittle, die nichts zu verbergen habe. Matthias Kross, Mitarbeiter des Einstein-Forums, sprach von der „Dialektik der Aufklärung“, jener These der Soziologen Adorno und Horkheimer, dass die Entmystifizierung der Welt einen neuen Mythos schaffe: den ihrer Berechenbarkeit. Er sei sich der Gefahr der Instrumentalisierung sehr bewusst gewesen, gab Madganz zu. Bei jeder Aufnahme habe er sich gefragt: „Was erzähle ich eigentlich damit?“

Magdanz beansprucht nicht, das politische Wirken des BND auszuleuchten. Ihm geht es eher darum, der Wirkung des Gebäudekomplexes auf seine Nutzer nachzuspüren. So sind Magdanz’ Fotografien trotz strenger Ästhetik höchst persönliche Arbeiten, erzählen von der Einsamkeit eines Fotografen, der sechs Monate seine Privatsphäre aufgab, um eine Mission zu erfüllen, von der er besessen war. Wie ein Geheimagent. Vielleicht fängt er deswegen so eindrücklich die Atmosphäre ein, in der die Mitarbeiter des BND arbeiten. In der Personenvereinzelungsanlage von Pullach.

Mo-Fr 10-17 Uhr. Bis 8. Juli. Einstein Forum, Am Neuen Markt 7, Potsdam.

Andreas Magdanz: BND-Standort Pullach. Dumont, 191 Seiten, 55 Euro.
 
 
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